Ich spreche ausschließlich von „Tätern“. Mir ist bewusst, dass auch Frauen sexualisierte Gewalt ausüben und dies weit häufiger als angenommen. Der prozentuale Anteil ist allerdings so gering, so dass die Realität verzerrt würde, spräche ich von Täter_innen.

Mir ist die damit einhergehende Problematik bewusst, dass sich einige, die Gewalt durch Frauen erlebt haben, unsichtbar fühlen können.
Ich bin mit der jetzigen Lösung auch nicht wirklich zufrieden, sie erschien mir aber als das kleinere Übel.

Sonntag, 12. Januar 2014

Sprachgebrauch in (Foren)Diskussionen


Sprachgebrauch in (Foren)Diskussionen

Im Streit um Sinn oder Unsinn von Reformen oder auch wenn es um die Toleranz des Verhaltens von Fleischesser_innen geht, geht, sind mir häufig folgende oder ähnliche Fragen begegnet:

Würdest du das auch sagen, wenn es um „Kinderschänder“ ginge.“

oder

Was haltet ihr davon wenn ein frustrierter Ehemann seine Frau nur noch 2x pro Monat brutal vergewaltigt, anstatt dies jedes Wochenende zu tun?“


Niemand der oder die weiß, was es heißt vergewaltigt zu werden, würde eine solche Frage stellen.

Was (bei mir) ankommt ist: Eine Person, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Ahnung hat, wovon sie spricht, erzählt (mir), dass es egal wäre, ob ich zweimal oder viermal im Monat vergewaltigt werde. Es ist aber nicht egal und für mich unvorstellbar, dass jemand, der oder die eine Vergewaltigung erlebt hat, das sagen würde.

Was gemeint ist und was ankommt

Im Laufe der Auseinandersetzung mit dem Thema im Rahmen des Artikels habe ich erstmals mit (von sexualisierter Gewalt) Nichtbetroffenen intensive Gespräche geführt und festgestellt, wie sehr sich meine Perspektive als Betroffene von der Perspektive Nichtbetroffener unterscheidet und Nichtbetroffene vieles nicht nachvollziehen können. Bis Ende 2012 war mir die eigentliche Absicht hinter solchen Aussagen überhaupt nicht bewusst, nämlich dass mit diesen Vergleichen herausgestellt werden soll, wie absurd die Forderung einer Verbesserung von etwas ist, das an sich unhaltbar ist. Für mich ist sexualisierte Gewalt aber nichts Absurdes, sondern völlig „normal“. Normal nicht im Sinne von richtig, sondern als konkreter Teil meiner Lebensrealität für viele Jahre, und sie wird mit der Aufarbeitung und Auseinandersetzung voraussichtlich für immer Teil meiner Lebensrealität bleiben.

Das Sein bestimmt das Bewusstsein

Die Weigerung das Grauen, egal ob es um Massentierhaltung oder misshandelte Kinder geht, wenigstens ein bisschen einzudämmen oder die Situation der Leidenden etwas erträglicher zu machen, erschien mir als unterlassene Hilfeleistung, grausam und obendrein zynisch.

Mittlerweile weiß ich, dass die „andere Seite“, Forderungen nach Verbesserungen als ebenso zynisch empfindet.

Wenn meine Mutter meinen Stiefvater dazu hätte bewegen können, mich an bestimmten Tagen in Ruhe zu lassen, wenn sie es schon nicht hat verhindern können, dann hätte das meine Situation deutlich verbessert. Sexualisierte Gewalt und Mütter und/oder andere Verwandte, die schweigen oder so tun, als würden sie nichts mitbekommen, sind in meiner Lebensrealität nichts Außergewöhnliches, sondern die Norm. Selbst wenn der Täter in flagranti ertappt wird, ist es nicht ungewöhnlich, wenn die Familie zwei Stunden später beim Abendbrot sitzt und so tut, als wäre nichts gewesen. Eine der Personen, mit denen ich mich ausgetauscht hatte, fragte:

Würde der Missbrauch dann tatsächlich erträglicher werden? Würde das Kind dann nicht jedes Vertrauen in Menschen verlieren, weil ihm letztendlich keiner wirklich hilft?“

Ja, es würde erträglicher werden. Vertrauen in Menschen ist ohnehin kaum vorhanden und es würde noch weiter zerstört, würde einem auch noch ein bisschen Erleichterung verweigert.

Ich kann meine Perspektive mittlerweile verlassen und mich auf die andere einlassen, es fällt mir aber sehr schwer. Aus dieser anderen Perspektive heraus kann ich nachvollziehen, dass eine Forderung nach einer Verbesserung unhaltbarer Zustände, die dann noch immer unhaltbar wären, unverständlich klingt. Das hält allerdings nur so lange an, so lange ich diese Perspektive einnehme. Es ist aber nicht meine Perspektive. Meine Perspektive ist die eines leidenden Individuums. Aus dieser Perspektive sehe ich die Welt und aus dieser Perspektive stellt selbst das kleinste Reförmchen eine Verbesserung dar, wenn die aktuellen Rahmenbedingungen kein Ende der Situation ermöglichen. Sei es, weil die Gesetzeslage es nicht zulässt oder der Täter zu mächtig ist.

Diese Vergleiche sind also nicht nur nicht stimmig, es kommt zudem nicht unbedingt an, was überhaupt gemeint ist. Ich dachte, es ginge um eine „Alles-oder-nichts“ Politik und dass mit diesen Beispielen tatsächlich gemeint wäre, dass es aus diesem Grund egal wäre, wie oft man vergewaltigt wird und dass die betreffenden Personen mit solchen Aussagen aufzeigen wollen, wie kompromisslos und hart sie sind.[11]

Nun könnte der Einwand kommen, dass ich das eben missverstanden hätte und dass es nicht so gemeint sei. Aber dieses „Missverständnis“ ist im Vergleich selbst angelegt. Vor allem sollte zu bedenken geben, dass es in einer Bewegung, die sich wesentlich auf Empathie und Mitgefühl beruft, über mehrere Jahre nicht möglich war, dieses Missverständnis aufzuklären. Dies war erst möglich, nachdem ich mich als Betroffene offenbart hatte und das tat ich auch erst, nachdem ich nach einem Vorfall in einem Internetforum völlig aufgelöst war. 

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