Sprachgebrauch
in (Foren)Diskussionen
Im
Streit um Sinn oder Unsinn von Reformen oder auch wenn es um die
Toleranz des Verhaltens von Fleischesser_innen geht, geht, sind mir
häufig folgende oder ähnliche Fragen begegnet:
„Würdest
du das auch sagen, wenn es um „Kinderschänder“ ginge.“
oder
„Was
haltet ihr davon wenn ein frustrierter Ehemann seine Frau nur noch
2x pro Monat brutal vergewaltigt, anstatt dies jedes Wochenende zu
tun?“
Niemand
der oder die weiß, was es heißt vergewaltigt zu werden, würde eine
solche Frage stellen.
Was
(bei mir) ankommt ist: Eine Person, die mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit keine Ahnung hat, wovon sie spricht, erzählt
(mir), dass es egal wäre, ob ich zweimal oder viermal im Monat
vergewaltigt werde. Es ist aber nicht egal und für mich
unvorstellbar, dass jemand, der oder die eine Vergewaltigung erlebt
hat, das sagen würde.
Was
gemeint ist und was ankommt
Im
Laufe
der
Auseinandersetzung
mit
dem
Thema
im
Rahmen
des
Artikels
habe
ich
erstmals
mit
(von
sexualisierter
Gewalt)
Nichtbetroffenen
intensive
Gespräche
geführt
und
festgestellt,
wie
sehr
sich
meine
Perspektive
als
Betroffene
von
der
Perspektive
Nichtbetroffener
unterscheidet
und
Nichtbetroffene
vieles
nicht
nachvollziehen
können.
Bis
Ende
2012
war
mir
die
eigentliche
Absicht
hinter
solchen
Aussagen
überhaupt
nicht
bewusst,
nämlich
dass
mit
diesen
Vergleichen
herausgestellt
werden
soll,
wie
absurd
die
Forderung
einer
Verbesserung
von
etwas
ist,
das
an
sich
unhaltbar
ist.
Für
mich
ist
sexualisierte
Gewalt
aber
nichts
Absurdes,
sondern
völlig
„normal“.
Normal
nicht
im
Sinne
von
richtig,
sondern
als
konkreter
Teil
meiner
Lebensrealität
für
viele
Jahre,
und
sie
wird
mit
der
Aufarbeitung
und
Auseinandersetzung
voraussichtlich
für
immer
Teil
meiner
Lebensrealität
bleiben.
Das
Sein bestimmt das Bewusstsein
Die
Weigerung das Grauen, egal ob es um Massentierhaltung oder
misshandelte Kinder geht, wenigstens ein bisschen einzudämmen oder
die Situation der Leidenden etwas erträglicher zu machen, erschien
mir als unterlassene Hilfeleistung, grausam und obendrein zynisch.
Mittlerweile
weiß ich, dass die „andere Seite“, Forderungen nach Verbesserungen als ebenso zynisch
empfindet.
Wenn
meine Mutter meinen Stiefvater dazu hätte bewegen können, mich an
bestimmten Tagen in Ruhe zu lassen, wenn sie es schon nicht hat
verhindern können, dann hätte das meine Situation deutlich
verbessert. Sexualisierte Gewalt und Mütter und/oder andere
Verwandte, die schweigen oder so tun, als würden sie nichts
mitbekommen, sind in meiner Lebensrealität nichts Außergewöhnliches,
sondern die Norm. Selbst wenn der Täter in flagranti ertappt wird,
ist es nicht ungewöhnlich, wenn die Familie zwei Stunden später
beim Abendbrot sitzt und so tut, als wäre nichts gewesen. Eine der
Personen, mit denen ich mich ausgetauscht hatte, fragte:
“Würde
der Missbrauch dann tatsächlich erträglicher werden? Würde das
Kind dann nicht jedes Vertrauen in Menschen verlieren, weil ihm
letztendlich keiner wirklich hilft?“
Ja,
es würde erträglicher werden. Vertrauen in Menschen ist
ohnehin kaum vorhanden und es würde noch weiter zerstört, würde
einem auch noch ein bisschen Erleichterung verweigert.
Ich
kann meine Perspektive mittlerweile verlassen und mich auf die andere
einlassen, es fällt mir aber sehr schwer. Aus dieser anderen
Perspektive heraus kann ich nachvollziehen, dass eine Forderung nach
einer Verbesserung unhaltbarer Zustände, die dann noch immer
unhaltbar wären, unverständlich klingt. Das hält allerdings nur so
lange an, so lange ich diese Perspektive einnehme. Es ist aber nicht
meine Perspektive. Meine Perspektive ist die eines leidenden
Individuums. Aus dieser Perspektive sehe ich die Welt und aus dieser
Perspektive stellt selbst das kleinste Reförmchen eine Verbesserung
dar, wenn die aktuellen Rahmenbedingungen kein Ende der Situation
ermöglichen. Sei es, weil die Gesetzeslage es nicht zulässt oder
der Täter zu mächtig ist.
Diese
Vergleiche sind also nicht nur nicht stimmig, es kommt zudem nicht
unbedingt an, was überhaupt gemeint ist. Ich dachte, es ginge um
eine „Alles-oder-nichts“ Politik und dass mit diesen Beispielen
tatsächlich gemeint wäre, dass es aus diesem Grund egal wäre, wie
oft man vergewaltigt wird und dass die betreffenden Personen mit
solchen Aussagen aufzeigen wollen, wie kompromisslos und hart sie
sind.[11]
Nun
könnte der Einwand kommen, dass ich das eben missverstanden hätte
und dass es nicht so gemeint sei. Aber dieses „Missverständnis“
ist im Vergleich selbst angelegt. Vor allem sollte zu bedenken geben,
dass es in einer Bewegung, die sich wesentlich auf Empathie und
Mitgefühl beruft, über mehrere Jahre nicht möglich war, dieses
Missverständnis aufzuklären. Dies war erst möglich, nachdem ich
mich als Betroffene offenbart hatte und das tat ich auch erst,
nachdem ich nach einem Vorfall in einem Internetforum völlig
aufgelöst war.
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