Ich spreche ausschließlich von „Tätern“. Mir ist bewusst, dass auch Frauen sexualisierte Gewalt ausüben und dies weit häufiger als angenommen. Der prozentuale Anteil ist allerdings so gering, so dass die Realität verzerrt würde, spräche ich von Täter_innen.

Mir ist die damit einhergehende Problematik bewusst, dass sich einige, die Gewalt durch Frauen erlebt haben, unsichtbar fühlen können.
Ich bin mit der jetzigen Lösung auch nicht wirklich zufrieden, sie erschien mir aber als das kleinere Übel.

Sonntag, 12. Januar 2014

Einige Beispiele aus der Tierrechtsbewegung


Einige Beispiele aus der Tierrechtsbewegung

Auf der Internetpräsenz einer Tierrechtsgruppe findet sich folgender Satz:

Genauso wenig wie zum Beispiel dieHumanisierungvon Tierversuchen zu ihrer Abschaffung führt, so hätte die Zulassung vonsanfter Vergewaltigungoderhumaner Sklavereizu deren Abschaffung geführt.“

Ich finde es ekelhaft und widerlich, von „sanfter VerGEWALTigung“ zu sprechen. Obendrein ist Vergewaltigung nichts, das abgeschafft werden könnte. Vergewaltigung steht lediglich unter Strafe. Vergewaltigung in der Ehe wurde übrigens erst 1997 ins Strafgesetzbuch aufgenommen, ebenso die Vergewaltigung von Männern. Betroffene Männer konnten vorher allenfalls Strafanzeige wegen sexueller Nötigung stellen. Auch Sklaverei existiert weltweit noch immer, obschon ein Verbot der Sklaverei 1948 in die Menschenrechtserklärung der UN (Artikel 4) aufgenommen wurde. Bei Aussprüchen wie „sanfter Vergewaltigung“ sollte auch bedacht werden, dass traumatisierte Menschen oftmals nur bestimmte Schlagwörter wahrnehmen, und im Kopf kann eine Flut von Bildern, Gefühlen und Gerüchen explodieren. Das ist so ähnlich wie in Katastrophenfilmen, wenn ein Störfall in einem Reaktor auftritt. Eine rote Lampe blinkt, eine Sirene heult, alle Rollläden gehen runter, die Türen schließen automatisch und lassen sich manuell nicht mehr öffnen. Es gibt kein Rein und kein Raus mehr. So ähnlich sieht es im Kopf aus. Es gibt nur noch ALARM ALARM ALARM.

Ein anderer Aspekt dieser Aussage ist, dass es für die Opfer einen gewaltigen Unterschied macht, ob eine Vergewaltigung „sanft“ oder „brutal“ stattfindet. Dies mag zunächst widersprüchlich klingen. Es gibt Menschen, die sich aktuell in Situationen befinden, in denen sie regelmäßig vergewaltigt werden, und aus denen sie sich (zumindest derzeit) aus verschiedenen Gründen nicht befreien können. Weil sie Kinder oder Jugendliche sind, weil sie vom Täter bedroht werden oder der Täter droht, im Falle einer Trennung die Kinder zu ermorden. Manche dieser Menschen werden mit unglaublicher Brutalität vergewaltigt und sie wären froh, wenn es dabei „sanft“ – oder besser – „weniger brutal“ zuginge. Das mag für Nichtbetroffene paradox und widersprüchlich klingen, aber Menschen in Gewaltsituationen, aus denen sie sich (aktuell) nicht befreien können, tun alles, um das Übel wenigstens ein bisschen erträglicher zu machen. Und es ist zudem ein gewaltiger Unterschied, ob eine solche Aussage von Betroffenen aus der Betroffenenperspektive kommt oder von Nichtbetroffenen, die das Thema instrumentalisieren. Ich hätte die Gruppe gerne angesprochen. Wegen schlechter Erfahrungen in der Vergangenheit, meist in Form unsensibler oder aggressiver Antworten, und weil ich Angst hatte, wieder verletzt zu werden, habe ich davon abgesehen.

Auch Gary Francione verwendet in mehreren seiner Texte Vergewaltigungsvergleiche. Ein Beispiel:

Es istbesser, wenn ein Vergewaltiger das Vergewaltigungsopfer nicht prügelt, aber das macht Vergewaltigung ohne Prügel nicht moralisch akzeptabel oder eine Kampagne fürhumaneVergewaltigung zu etwas, das wir tun sollten.[3]

Francione erkennt zwar immerhin, dass esbesser(für das Opfer) ist, wenn das Opfer nicht geprügelt wird. Dennoch stellt er seine Moral über diese Erkenntnis und verweigert sich der Opferperspektive. In einer Situation, in der es einzig darum geht, die Situation mit möglichst geringem physischen und psychischen Schaden zu überstehen, sind solche Fragen nachrangig. Aus seiner privilegierten Position einesmutmaßlichNichtbetroffenen klingt Francione anmaßend und selbstgerecht. Ähnliche Vergleiche zieht Francione mit Folter und Sklaverei. Bei seinen Vergleichen verweist Francione kein einziges Mal auf Aussagen von Betroffenen (wie es die Anhänger_innen von Holocaust-Vergleichen meist tun). Im Gegensatz zu Tieren könnten die Betroffenen zwar für sich sprechen, Francione aber hielt es offenkundig nicht für notwendig, sie nach ihrer Meinung zu fragen. Diese Meinung könnte dann freilich nicht pauschalisierend auf alle Betroffenen übertragen werden, sondern würde, genau wie bei Holocaustvergleichen, nur für jene gelten, die diese Aussagen getätigt haben. Insbesondere steht es Nichtbetroffenen nicht zu, Holocaustvergleiche anzustellen und Betroffene, die verletzt sind, mit dem Verweis darauf zum Schweigen bringen zu wollen, dass andere Betroffene diese Vergleiche auch anstellen. Wenn persönlich Betroffene das tun, ist das etwas völlig anderes. Augenscheinlich aber wurde von Francione nicht einmal der Versuch unternommen, mit Betroffenen zu sprechen.

Kommunikation ist das, was ankommt

Es geht nicht darum, was Francione tatsächlich meint, sondern um das, was (bei mir) ankommt. Was Francione tatsächlich meint, ist an dieser Stelle irrelevant, denn ich kann nicht wissen, was er meint, wenn ich einen solchen Vergleich höre. Auch wenn sich dieser erste Eindruck bei einer intensiveren Auseinandersetzung mit Franciones Texten verändern würde, ändert dies nichts daran, wie diese Aussage zunächst ankommt. Ich erwähne Francione, da Kritik an Vergewaltigungsvergleichen häufig durch den Verweis auf Francione verteidigt wird. Dadurch, dass Francione diese Vergleiche anwendet, werden sie jedoch nicht richtig oder weniger verletzend.

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