Einige
Beispiele aus der Tierrechtsbewegung
Auf
der Internetpräsenz einer Tierrechtsgruppe findet sich folgender
Satz:
„Genauso
wenig wie zum Beispiel
die ‚Humanisierung‘ von
Tierversuchen zu ihrer
Abschaffung führt, so
hätte die Zulassung von
‚sanfter Vergewaltigung‘ oder
‚humaner Sklaverei‘ zu
deren Abschaffung geführt.“
Ich
finde es ekelhaft und widerlich, von „sanfter VerGEWALTigung“ zu
sprechen. Obendrein ist Vergewaltigung nichts, das abgeschafft werden
könnte. Vergewaltigung steht lediglich unter Strafe. Vergewaltigung
in der Ehe wurde übrigens erst 1997 ins Strafgesetzbuch aufgenommen,
ebenso die Vergewaltigung von Männern. Betroffene Männer konnten
vorher allenfalls Strafanzeige wegen sexueller Nötigung stellen.
Auch Sklaverei existiert weltweit noch immer, obschon ein Verbot der
Sklaverei 1948 in die Menschenrechtserklärung der UN (Artikel 4)
aufgenommen wurde. Bei Aussprüchen wie „sanfter Vergewaltigung“
sollte auch bedacht werden, dass traumatisierte Menschen oftmals nur
bestimmte Schlagwörter wahrnehmen, und im Kopf kann eine Flut von
Bildern, Gefühlen und Gerüchen explodieren. Das ist so ähnlich wie
in Katastrophenfilmen, wenn ein Störfall in einem Reaktor auftritt.
Eine rote Lampe blinkt, eine Sirene heult, alle Rollläden gehen
runter, die Türen schließen automatisch und lassen sich manuell
nicht mehr öffnen. Es gibt kein Rein und kein Raus mehr. So ähnlich
sieht es im Kopf aus. Es gibt nur noch ALARM ALARM ALARM.
Ein
anderer Aspekt dieser Aussage ist, dass es für die Opfer einen
gewaltigen Unterschied macht, ob eine Vergewaltigung „sanft“ oder
„brutal“ stattfindet. Dies mag zunächst widersprüchlich
klingen. Es gibt Menschen, die sich aktuell in Situationen befinden,
in denen sie regelmäßig vergewaltigt werden, und aus denen sie sich
(zumindest derzeit) aus verschiedenen Gründen nicht befreien können.
Weil sie Kinder oder Jugendliche sind, weil sie vom Täter bedroht
werden oder der Täter droht, im Falle einer Trennung die Kinder zu
ermorden. Manche dieser Menschen werden mit unglaublicher Brutalität
vergewaltigt und sie wären froh, wenn es dabei „sanft“ – oder
besser – „weniger brutal“ zuginge. Das mag für Nichtbetroffene
paradox und widersprüchlich klingen, aber Menschen in
Gewaltsituationen, aus denen sie sich (aktuell) nicht befreien
können, tun alles, um das Übel wenigstens ein bisschen erträglicher
zu machen. Und es ist zudem ein gewaltiger Unterschied, ob eine
solche Aussage von Betroffenen aus der Betroffenenperspektive kommt
oder von Nichtbetroffenen, die das Thema instrumentalisieren. Ich
hätte die Gruppe gerne angesprochen. Wegen schlechter Erfahrungen in
der Vergangenheit, meist in Form unsensibler oder aggressiver
Antworten, und weil ich Angst hatte, wieder verletzt zu werden, habe
ich davon abgesehen.
Auch
Gary Francione verwendet in mehreren seiner Texte
Vergewaltigungsvergleiche. Ein Beispiel:
„Es
ist ‚besser‘, wenn
ein Vergewaltiger das
Vergewaltigungsopfer nicht prügelt,
aber das macht
Vergewaltigung ohne Prügel
nicht moralisch akzeptabel
oder eine Kampagne für
‚humane‘ Vergewaltigung zu
etwas, das wir tun
sollten.[3]
Francione
erkennt
zwar
immerhin,
dass
es
„besser“
(für
das
Opfer)
ist,
wenn
das
Opfer
nicht
geprügelt
wird.
Dennoch
stellt
er
seine
Moral
über
diese
Erkenntnis
und
verweigert
sich
der
Opferperspektive.
In
einer
Situation,
in
der
es
einzig
darum
geht,
die
Situation
mit
möglichst
geringem
physischen
und
psychischen
Schaden
zu
überstehen,
sind
solche
Fragen
nachrangig.
Aus
seiner
privilegierten
Position
eines
– mutmaßlich
– Nichtbetroffenen
klingt
Francione
anmaßend
und
selbstgerecht.
Ähnliche
Vergleiche
zieht
Francione
mit
Folter
und
Sklaverei.
Bei
seinen
Vergleichen
verweist
Francione
kein
einziges
Mal
auf
Aussagen
von
Betroffenen
(wie
es
die
Anhänger_innen
von
Holocaust-Vergleichen
meist
tun).
Im
Gegensatz
zu
Tieren
könnten die
Betroffenen
zwar
für
sich
sprechen,
Francione
aber
hielt
es
offenkundig
nicht
für
notwendig,
sie
nach
ihrer
Meinung
zu
fragen.
Diese
Meinung
könnte
dann
freilich
nicht
pauschalisierend
auf
alle
Betroffenen
übertragen
werden,
sondern
würde,
genau
wie
bei
Holocaustvergleichen,
nur
für
jene
gelten,
die
diese
Aussagen
getätigt
haben.
Insbesondere
steht
es
Nichtbetroffenen
nicht
zu,
Holocaustvergleiche
anzustellen
und
Betroffene,
die
verletzt
sind,
mit
dem
Verweis
darauf
zum
Schweigen
bringen
zu
wollen,
dass
andere
Betroffene
diese
Vergleiche
auch
anstellen.
Wenn
persönlich
Betroffene
das
tun,
ist
das
etwas
völlig
anderes.
Augenscheinlich
aber
wurde
von
Francione
nicht
einmal
der
Versuch
unternommen,
mit
Betroffenen
zu
sprechen.
Kommunikation
ist das, was ankommt
Es
geht nicht darum, was Francione tatsächlich meint, sondern um das,
was (bei mir) ankommt. Was Francione tatsächlich meint, ist an
dieser Stelle irrelevant, denn ich kann nicht wissen, was er meint,
wenn ich einen solchen Vergleich höre. Auch wenn sich dieser erste
Eindruck bei einer intensiveren Auseinandersetzung mit Franciones
Texten verändern würde, ändert dies nichts daran, wie diese
Aussage zunächst ankommt. Ich erwähne
Francione, da Kritik an Vergewaltigungsvergleichen häufig durch den
Verweis auf Francione verteidigt wird. Dadurch, dass Francione diese
Vergleiche anwendet, werden sie jedoch nicht richtig oder weniger
verletzend.
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