Eine gekürzte Version dieses Textes ist im Dezember in der Zeitschrift Tierbefreiung (Nr. 81) erschienen.
Inhaltswarnung: Thematisierung sexualisierter Gewalt. Ausschreibung des Wortes V*rg*w*lt*g*ng.
Inhaltswarnung: Thematisierung sexualisierter Gewalt. Ausschreibung des Wortes V*rg*w*lt*g*ng.
Sexualisierte
Gewalt ist keine gesellschaftliche Randerscheinung. Sexualisierte
Gewalt ist allgegenwärtig. Je nach dem, wie eng oder weit die
Definition des Begriffes gefasst ist, ist jede 4. bis 5. Frau
und jeder 7. bis 9. Mann von sexualisierter Gewalt in der Kindheit
betroffen[1] und jede 7. Frau erlebt sexualisierte Gewalt ab dem 16.
Lebensjahr[2]. Viele sind auch mehrfach betroffen. Es geht um
Verbrechen, die jeden Tag in der Mitte unserer Gesellschaft
stattfinden und zwar in sehr vielen Fällen folgen- und straflos für
die Täter.
Ich
habe ab meinem 7. oder 8. Lebensjahr über mehrere Jahre
sexualisierte Gewalt durch meinen Stiefvater erlebt. Ich schreibe
also nicht stellvertretend für Betroffene, sondern als persönlich
Betroffene. Das erste Mal wurde ich im Frühjahr 2007 mit einem
dieser Vergleiche, zwischen Tierausbeutung und sexualisierter Gewalt, konfrontiert und es hat fünfeinhalb Jahre
gedauert, bis ich es erstmals schaffte, das Thema anzusprechen. Das
war im September 2012.
Ich
gehe davon aus, dass den meisten, die Vergewaltigungsvergleiche
verwenden, weder bewusst ist, wie tief verletzend diese Vergleiche
sind (es geht hierbei nicht um Kritik am Mensch-Tier-Vergleich), noch
was diese Vergleiche auslösen können oder wie groß die Dimension
sexualisierter Gewalt in unserer Gesellschaft ist. Ich hoffe, mit
diesem Artikel für das Thema sensibilisieren zu können. Mir geht es
nicht darum anzuprangern, sondern um die Bewusst- und Sichtbarmachung
von Leid und erneuter Traumatisierung, die damit unbeabsichtigt
ausgelöst werden.
Sexualisierte
Gewalt als gesellschaftliches Phänomen
Besonders
kennzeichnend im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt an Kindern
ist die euphemistische Sprache, sowohl im alltäglichen
Sprachgebrauch, als auch in den Medien. Es ist von MISSbrauch die
Rede, so als gebe es auch einen nicht missbräuchlichen GEbrauch von
Kindern. Auch wenn dieser Wortlaut sich so im Strafgesetzbuch findet,
ist er stark bagatellisierend, relativierend und vertuschend, da die
zugrunde liegenden Verbrechen nicht beim Namen genannt werden. Die
gleichen Verbrechen an Erwachsenen heißen Vergewaltigung und
sexuelle Nötigung. Dies ist vergleichbar mit den beschönigenden
Bezeichnungen für das Ermorden von Tieren:
Schlachten,
Keulen, Schächten etc., im Höchstfall Töten. Häufig wird die
Bezeichnung „Kinderschänder“ gebraucht. Schänden kommt von
Schande über jemanden bringen und wird umgangssprachlich synonym
verwendet für entehren, entweihen, beschmutzen, besudeln. Sexuelle
Nötigung und VerGEWALTigung sind Gewaltverbrechen und sollten beim
Namen genannt werden.
Ich kann zwar nur für mich sprechen, weiß aber aus Erfahrung (Therapien, Selbsthilfegruppen), dass „wir Betroffenen“, so unterschiedlich wir sind, in vielem sehr ähnliche Empfindungen haben, wenn es um die Banalisierung und Relativierung sexualisierter Gewalt geht.
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